2011/01/28

Buchtipp: Kasino-Kapitalismus von Hans-Werner Sinn

Es ist immer wohltuend Texte zu lesen, die sich durch Sachkenntnis und Klarheit der Sprache auszeichnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um eine Thematik geht, die seit mehr als zwei Jahren für ein endloses Rauschen im Blätterwald sorgt: die globale Finanzkrise.

Was wurde nicht alles über dieses Problem in den Medien geschrieben, und es war in der Tat schwierig zu einem einigermaßen schlüssigen Urteil über die Ursachen jener Krise zu kommen. Allzu oft und allzu laut wurde von bestimmten Politikern und Medien gleichermaßen ein nebulöses Konstrukt namens Gier als Hauptverursacher der Krise dingfest gemacht. Man kann sich natürlich mit diesem Billigheimerargument zufrieden geben. Ein wirkliches Verständnis der Hintergründe wird man damit aber nicht erlangen.

Und so war es ein ausgesprochener Glücksfall, dass ich während der Weihnachtsfeiertage in einer Buchhandlung herumstöberte und auf Hans-Werner Sinns Buch zur Finanzkrise stieß. Natürlich gab es schon zahllose Bücher zu diesem Thema, aber in kurzer Blick in das Innere machte mir die Lektüre schmackhaft, und ich konnte nun endlich hoffen, jenseits von Schlagwörtern und Stammtischparolen zu einem gründlichen Verständnis dessen vorzudringen, was die Welt seit dem Sommer 2008 in Atem hält.

Der Autor ist ein  hochkarätiger deutscher Ökonom, und er versteht es brilliant, sein Expertenwissen unters Volk zu bringen. Sein Stil ist unaufgeregt, sachlich und von Sachkenntnis geprägt. Und, wenig überraschend, nach der Lektüre dieses Buches kann man über die üblichen, extrem verkürzten Darstellungen der Finanzkrise nur noch den Kopf schütteln. Zu tief reichen die Versäumnisse, die an mehreren Stellen des Finanzkreislaufes aufgetreten sind, um alles auf die ominöse Gier abzuschieben.

Eine der Erbsünden der ganzen Entwicklung wird beispielsweise in den Medien so gut wie überhaupt nicht diskutiert. Da gab es ein bereits von der Clinton-Administration aufgelegtes Programm, wonach die Banken verpflichtet waren, allen Kunden (also auch solchen, die nicht kreditwürdig waren) die nötigen Kredite zum Erwerb eines Eigenheims zur Verfügung zu stellen. Man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Eine Bank, die genau weiß, dass ihr Kreditnehmer das ausgestellte Darlehen niemals wird zurückzahlen können, ist nichtsdestoweniger verpflichtet, ein entsprechendes Darlehen zu gewähren. Da hilft es auch nicht, auf die steigenden Häuserpreise zu verweisen. Denn schließlich können die Immobilienpreise nicht in alle Ewigkeit jählich um 10 % zulegen. Angesichts dieser Situation mussten sich zwangläufig die Leichen im Keller stapeln. Und eines Tages wird der Mief einfach zu groß, um ihn weiter unter der Decke halten zu können. Spätestens dann löst der üble Geruch eine Panikreaktion aus. Der Rest ist bekannt. Natürlich war das nicht der einzige Grund, aber ein wichtiger und entscheidender allemal.

Fazit: eine hervorragende Darstellung der Finanzkrise und ihrer Ursachen. Sehr lesenswert!

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